Nicht selten ist der "Hausfrieden" ein Streitpunkt zwischen Mieter und Vermieter. Was ist damit überhaupt gemeint und wann kann der Vermieter einem Mieter wegen "Störung des Hausfriedens kündigen"?
Meist ist der Hausfrieden ein Thema im Mehrfamilienhaus. Von Störungen desselben erfährt der Vermieter über Beschwerden anderer Mieter oder weil ihm eine
Mietminderung ins Haus flattert. Vom gestörten Hausfrieden spricht man
nicht gleich bei jeder kleinen Störung, etwa einer
Lärmbelästigung. Hier muss schon das Zusammenleben an sich beeinträchtigt sein.
Was versteht man unter dem "Hausfrieden"?
Mieter im Mehrfamilienhaus sind auch ohne ausdrückliche Vereinbarung zur
Rücksichtnahme auf die Interessen des Vermieters verpflichtet. Dies ist eine Nebenpflicht aus dem
Mietvertrag. Dazu gehört, andere Mieter nicht derart zu belästigen oder zu beeinträchtigen, dass diese die Miete mindern oder kündigen, sodass der Vermieter einen Schaden erleidet. Daraus ergibt sich auch eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme unter den Mietern. Wird sie verletzt, ist dies ein Verstoß gegen mietvertragliche Pflichten. Konkretisierungen dieser Pflicht ergeben sich aus Mietvertrag und
Hausordnung, wenn diese Verhaltensregeln für das Zusammenleben im Haus festlegen. Ein Beispiel dafür sind die
Ruhezeiten.
Wann ist der Hausfrieden gestört?
Dies ist der Fall, wenn die
Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme erheblich missachtet wird. Beispiele sind ständige laute Familienstreitigkeiten innerhalb einer Mietpartei, Streit unter verschiedenen Mietparteien mit
Beleidigungen und Drohungen oder Auseinandersetzungen, die wiederholte Polizeieinsätze auslösen. Auch innerhalb einer Mietpartei sind
Mieter im Rahmen der Rücksichtnahme auf die übrigen Hausbewohner verpflichtet, sich zu mäßigen. Wenn ständig die Teller fliegen und laut herumgeschrien wird, muss dies nicht mehr akzeptiert werden. Beleidigungen unter Wohnungsnachbarn, Stalking, tätliche Angriffe oder Randalieren im Treppenhaus – auch durch
Besucher einer Mietpartei - fallen ebenfalls unter Störungen des Hausfriedens. Auch massive und dauerhafte Lärmbelästigungen können dazu zählen.
Muss der Vermieter einschreiten?
Untätig bleiben kann der Vermieter in solchen Fällen nicht. Denn: Mieter im Mehrfamilienhaus haben ein Recht darauf, dass sie ihre Wohnungen
ohne Beeinträchtigungen vertragsgemäß nutzen können. Störungen des Hausfriedens stehen einer solchen Nutzung entgegen. Daher können die Mieter ggf. die Miete mindern oder im Extremfall
fristlos kündigen. Wird die Nutzung einer Wohnung durch Störungen des Hausfriedens erheblich beeinträchtigt, können die Mieter wie bei jedem anderen Mangel der Wohnung zuerst Abhilfe verlangen. Wie diese erfolgt, ist Sache des Vermieters.
Keine Rechte haben hier allerdings Grundstücksnachbarn, die nicht in einer Vertragsbeziehung zum Vermieter stehen. Sie müssen ihren eigenen Unterlassungsanspruch gegen die störenden Hausbewohner geltend machen.
Welche Möglichkeiten hat der Vermieter?
Zuerst gilt es, herauszufinden, was passiert ist. Dies ist oft keine einfache Aufgabe. Handelt es sich um einen Streit zwischen mehreren Mietparteien, kann der Vermieter
versuchen, zu vermitteln. Hilft dies nichts, ist die nächste mögliche Maßnahme eine
schriftliche Abmahnung des störenden Mieters. Kommt es trotz
Abmahnung(en) zu weiteren erheblichen Störungen des Hausfriedens, ist unter Umständen eine
fristlose Kündigung des störenden Mieters möglich.
Die Abmahnung ist verzichtbar, wenn sie keinerlei Erfolg verspricht, weil sich der Störer zum Beispiel weigert, sein Verhalten zu ändern. Es gibt auch Fälle, in denen dem Vermieter ein weiteres Abwarten nicht zuzumuten ist.
Unter Umständen kommt auch eine "
Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch" in Frage, geregelt in § 541 BGB. Diese setzt ebenfalls eine erfolglose vorherige Abmahnung voraus. Die Unterlassungsklage kann unabhängig von einem Verschulden des Mieters erhoben werden, es kann also zum Beispiel auch darum gehen, dass dieser das
Untermietverhältnis mit einem randalierenden Untermieter zu beenden hat.
Wann ist eine fristlose Kündigung möglich?
Die fristlose außerordentliche Kündigung erfordert nach § 543 Abs. 1 BGB einen wichtigen Grund. § 569 Abs. 2 legt fest, dass dieser auch in einer Störung des Hausfriedens bestehen kann, wenn diese so nachhaltig ist, dass dem Vermieter
nicht mehr zugemutet werden kann, das Ende der regulären, dreimonatigen Kündigungsfrist abzuwarten. Es muss sich also um
sehr schwere und andauernde Störungen handeln oder um Einzelvorfälle, die derart schwer wiegen, dass eine Fortsetzung des Mietvertrages auch aus objektiver Sicht eines Unbeteiligten ausscheidet.
Auch sind alle "Umstände des Einzelfalles" zu berücksichtigen, wie ein Verschulden der Vertragsparteien. Obendrein ist eine Abwägung der beiderseitigen Interessen vorzunehmen. Das heißt: Das Interesse des Vermieters, dieses Mietverhältnis zu beenden, muss das Interesse des Mieters, seine Wohnung zu behalten, überwiegen. Problematisch kann es werden, wenn der Mieter, von dem die Störung ausgeht, von Obdachlosigkeit bedroht ist.
Vermieter müssen sich vor Augen halten, dass eine fristlose Kündigung
nur das letzte Mittel sein kann, um eine Störung des Hausfriedens zu beenden. Auf eine oder mehrere vorherige Abmahnungen kann nur ausnahmsweise verzichtet werden. Die Gerichte bestätigen solche Ausnahmen oft bei Straftaten wie Beleidigung, Sachbeschädigung oder Körperverletzung.
Die Störungen müssen beweisbar sein.
Hier einige Beispiele:
Das Amtsgericht München bestätigte die fristlose Kündigung eines Ehepaares mit zwei Kindern. Diese hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, jegliches Geräusch aus Nachbarwohnungen mit eigenen lauten Geräuschen zu beantworten, vergleichbar dem Hinwerfen einer Hantel. Selbst ein gehörloser Mieter konnte aufgrund der allnächtlichen Erschütterungen nicht mehr schlafen. Auch die vorherige Wohnung hatte die Familie bereits deswegen räumen müssen. "
Rachelärm" sei
nicht gerechtfertigt, entschied das Gericht (Urteil vom 18.01.2019, Az. 417 C 12146/18).
Das Amtsgericht Melsungen erklärte die fristlose
Kündigung eines geistig behinderten Mieters ohne Abmahnung für gerechtfertigt, der versucht hatte, die Tür eines anderen Mieters mit einem Holzhammer einzuschlagen. Offenbar hatte sich dieser zuvor unangemessen gegenüber seiner Freundin verhalten. Beide Mieter waren geistig behindert. Das Gericht erklärte, dass beim nachbarschaftlichen Zusammenleben unter psychisch- und suchtkranken Menschen zwar erhöhte Toleranz angesagt sei. Die Grenze sei jedoch überschritten, wenn Vermieter und Mieter Schäden erlitten oder ernsthaften Gefahren ausgesetzt wären. Der Totalschaden an der Wohnungstür zeuge von großem Gewaltpotential. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Mieter erneut die Kontrolle verliere und andere gefährde (Urteil vom 07.12.2017, Az. 4 C 325/17).
Ebenso konnte laut Amtsgericht Neuruppin einem Mieter fristlos ohne Abmahnung gekündigt werden, der die Angestellte einer anderen Mieterin als "Fotze" betitelt hatte. Diese hatte ihn zuvor gebeten, den Urin seiner Hundewelpen aus dem Hausflur zu entfernen. Das Gericht sah die
schwere Beleidigung als nicht gerechtfertigt an und betrachtete diese als schwere Störung des Hausfriedens (Urteil vom 16.04.2019, Az. 43 C 61/18).
Unzulässig war die fristlose ebenso wie eine ordentliche Kündigung dagegen in einem Fall, den das Amtsgericht Euskirchen verhandelte. Hier hatte sich eine Mietpartei brieflich an die anderen Mieter im Haus gewandt, um die
Nebenkostenabrechnung des Vermieters zu kritisieren. Unter anderem ging es um eine Steigerung der Reinigungskosten um 200 Prozent. Es tauchte das Wort "Wucher" auf. Das Gericht sah in dem Schreiben keine ehrverletzenden Äußerungen. Mieter seien berechtigt, sich
kritisch mit einer Nebenkostenabrechnung auseinanderzusetzen (Urteil vom 16.01.2020, Az. 33 C 63/19).
letzte Änderung U.M.
am 23.03.2023
Autor(en):
Ulf Matzen
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Autor:in
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Herr Ulf Matzen
Ulf Matzen ist Volljurist und schreibt freiberuflich Beiträge für Online-Portale und Unternehmen. Ein wichtiges Thema ist dabei das Immobilienrecht, aber auch das Verbraucherrecht ist häufig vertreten. Ulf Matzen ist Mitautor des Lexikons "Immobilien-Fachwissen von A-Z" (Grabener-Verlag) sowie von Kundenzeitungen und Ratgebern.
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