CO2-Abgabe, Ukrainekrieg, Gasumlage – die
Gaspreise in Deutschland rasen in die Höhe. Mitte August 2021 kostete eine Megawattstunde Gas knapp 26 Euro. Mitte August 2022 waren es 292,50 Euro – das ist ein Anstieg um über 1.000 Prozent. Auch der
Preis für Heizöl hat sich massiv erhöht. Während Verbraucher immer höhere Kosten schultern müssen, macht sich die Politik Gedanken um die Versorgungssicherheit im Winter.
Mittlerweile (Ende August 2022) sind zwar 80 Prozent der
Gasspeicher gefüllt. Am 1.11. sollen es 95 Prozent sein. Ob dieses Ziel erreicht wird und ob das Gas ausreicht, hängt von mehreren Faktoren ab, darunter der Fortsetzung der russischen Lieferungen durch Nord-Stream 1 und der Wetterlage im Herbst und Winter.
Das böse Erwachen: Die Nebenkostenabrechnung
Derzeit sind die monatlichen Vorauszahlungen für
Heizkosten für die meisten Mieter noch nicht gestiegen. Eine
Anpassung der Heizkosten kann erst im Rahmen der
Jahresabrechnung erfolgen. Diese muss innerhalb von einem Jahr nach Ende des Abrechnungszeitraumes erstellt werden, für 2022 also im Jahr 2023.
Dann steht für Mieter eine
massive Nachzahlung und eine
Erhöhung der Vorauszahlungen an. Einige Vermieter sind dazu übergegangen, ihre Mieter auf die zu erwartende Steigerung hinzuweisen und sie zur Bildung von Rücklagen aufzufordern. Auch die
freiwillige Leistung höherer Vorauszahlungen ist eine Möglichkeit.
Wann muss der Vermieter heizen?
Eine Mietwohnung muss gebrauchstauglich und somit beheizbar sein.
Kein Gesetz regelt, wann die Heizung eingeschaltet sein muss – es gibt aber Gerichtsurteile: Die Heizung darf im Sommer ausgeschaltet bleiben. In der sogenannten Heizperiode muss sie betriebsbereit sein – auch ohne ausdrückliche Vereinbarung. Gerichte sehen als
Heizperiode meist die Zeit zwischen dem 1. Oktober und dem 1. Mai an. Manchmal werden abweichende Zeiträume mietvertraglich vereinbart.
Die Heizung muss den Gerichten zufolge auch
außerhalb der Heizperiode eingeschaltet werden, wenn es zu kalt wird. Zum Teil fordern dies die Gerichte, wenn die Temperatur in der Wohnung zeitweise unter 18 Grad sinkt und absehbar ist, dass die Kälte mehr als ein oder zwei Tage lang dauern wird. Andere Richter nehmen die Außentemperatur als Maßstab: Sinkt diese drei Tage lang unter 12 Grad, besteht Heizpflicht. Dies gilt in jedem Fall, wenn die Temperatur in der Wohnung am Tag unter 16 Grad sinkt.
Welche Mindesttemperaturen müssen Vermieter gewährleisten?
Es gibt in Deutschland
keine gesetzliche
Mindesttemperatur für Mietwohnungen. Daher kann diese auch nicht herabgesetzt werden, wie es oft in Presseschlagzeilen zu lesen ist.
Auch hier gibt es Urteile, die sich teils grob an Richtlinien für Arbeitsstätten orientieren und die nicht einheitlich sind. Dabei geht es meist um Mieter, die eine
Mietminderung geltend machen. Bei allzu niedrigen Temperaturen geben ihnen die Gerichte recht. Während sich die meisten Gerichte darüber einig sind, dass in den Wohnräumen einer Mietwohnung tagsüber mindestens 20 bis 22 Grad herrschen müssen, gehen die Meinungen zu den Nachttemperaturen auseinander.
Nicht unwichtig, denn in vielen Häusern gibt es eine
Nachtabsenkung, durch die die Heiztemperatur heruntergefahren wird. Die meisten Gerichte tendieren nachts, also zwischen 23 und sieben Uhr, zu einer Mindesttemperatur von 18 Grad. Das Amtsgericht Köln sah 16 bis 17 Grad bei Nacht als Sachmangel und als Grund für eine Mietminderung an (Urteil vom 5.7.2016, Az. 205 C 36/16). Andere Gerichte lassen aber auch 16 bis 17 Grad ausreichen, etwa das Amtsgericht Bonn (Urteil vom 26.1.2021, Az. 206 C 18/19).
Ab wann bildet sich Schimmel?
Eine Faustregel besagt, dass unterhalb von 16 Grad bei Nacht mit einer
Schimmelbildung gerechnet werden muss. Kühlt sich die Luft in der Wohnung ab, ist irgendwann der Taupunkt erreicht, an dem sich Kondenswasser an Gegenständen niederschlägt.
Dauernde Feuchtigkeit führt zur
Schimmelbildung, denn einsatzbereite Schimmelsporen begleiten uns ständig. Allerdings kann dieser Taupunkt sich von Wohnung zu Wohnung und von Wand zu Wand unterscheiden.
Dies hängt vom
Baumaterial und von der
Wärmedämmung ab. Es kann also durchaus auch bei 16 oder 17 Grad nachts zur Schimmelbildung kommen, die man vielleicht gar nicht bemerkt, weil sie sich hinter Tapeten oder Täfelungen abspielt. Dies kann unschöne Folgen für die Gesundheit haben. Auch das Lüftungsverhalten der Bewohner spielt eine Rolle. Sicher ist: Wer sich nur noch in Decken gewickelt in einem einzigen leicht beheizten Zimmer aufhält und möglichst wenig lüftet, um Energie zu sparen, wird bald ein Schimmelproblem in der Wohnung haben.
Winter 2022/2023: Dürfen Vermieter die Heizung herunterdrehen?
Viel wird über das Herunterregeln der Heizung durch den Vermieter diskutiert. Große Wohnungsunternehmen haben bereits angekündigt, die
Nachttemperatur in ihren Mietwohnungen auf 17 Grad zu verringern. Die landeseigenen Wohnbauunternehmen in Berlin wollen nachts auf 17, tagsüber auf 20 Grad reduzieren.
Nach derzeitigem Stand ist eine
Reduzierung der Heizleistung unter die von den Gerichten entschiedenen
Mindest-Gradzahlen ein
Sachmangel, der zur Mietminderung berechtigt. Bei 17 Grad liegt die Vermieterseite jedoch noch im Einklang mit einem Teil der Gerichte. Wie diese in Anbetracht der derzeitigen Situation entscheiden, muss sich zeigen. Fest steht: Alles unter 16 Grad ist eindeutig ein Fall für eine Mietminderung.
Probleme bei einer vertraglichen Absprache niedrigerer Temperaturen
Oft wird als Lösung empfohlen, Mieter einen Zusatz zum
Mietvertrag unterschreiben zu lassen, in dem sie sich mit niedrigeren Temperaturen einverstanden erklären. Dies ist aber gar nicht so einfach. So ist eine
vertragliche Vereinbarung, die das Recht des Mieters zur Mietminderung ausschließt, per Gesetz unwirksam (§ 536 Abs. 4 BGB).
Eine
Mietvertragsklausel, die eine geringere Mindesttemperatur festlegt, als nach den Gerichtsurteilen üblich, ist ebenfalls unwirksam (Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, Az. 19 C 228/98). Allerdings geht es dabei um unwirksame Klauseln in Formularmietverträgen, die unter das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen fallen.
Eine
Individualvereinbarung beider Parteien könnte einen Ausweg bieten. Sie muss dazu jedoch von beiden gemeinsam für den Einzelfall ausgehandelt worden sein. Dem Mieter einseitig ein Formular zur Unterschrift hinzulegen, reicht nicht. Dies ist höchstens für kleine, private Vermieter praktikabel.
Haben Mieter eine Heizpflicht?
Eine
gesetzliche Heizpflicht für Mieter gibt es nicht. Diese kann also auch nicht per Gesetz aufgehoben werden, wie man oft liest. Mieter haben jedoch die
vertragliche Nebenpflicht – ohne ausdrückliche Vereinbarung – sorgsam mit der Mietsache umzugehen. Dazu gehört es auch, zumindest soviel zu
heizen und zu lüften, dass kein Schimmel entsteht und dass keine Rohre kaputtfrieren. Halten sie sich nicht daran, hat der Vermieter einen Schadensersatzanspruch.
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung zur Gaseinsparung beschlossen?
Ab 29.08.2022 will die Bundesregierung per
Verordnung für Einsparungen sorgen. Durch folgende
Maßnahmen:
- Klauseln in Mietverträgen, die Mieter zur Einhaltung einer Mindesttemperatur verpflichten, sind ausgesetzt. Mieter dürfen freiwillig weniger heizen. Aber: Nur wenige Verträge enthalten solche Klauseln.
- Private Swimmingpools innen und außen dürfen nicht mehr mit Gas oder Strom beheizt werden - sicher ein schwerer Einschnitt für die Mehrheit der deutschen Bevölkerung. Ausnahmen: Pools für Therapie, Hotels, Freizeiteinrichtungen, Reha.
- Die Höchsttemperatur für Arbeitsräume in öffentlichen Gebäuden wird auf 19 Grad begrenzt (früher 20 Grad). In Räumen, in denen schwer körperlich gearbeitet wird, darf es kälter sein. Flure, Foyers, Technikräume bleiben ungeheizt. Ausnahmen: Kliniken, Pflege, soziale Einrichtungen.
- An Handwaschbecken in öffentlichen Gebäuden müssen Boiler und Durchlauferhitzer ausgeschaltet werden, außer wenn Hygiene heißes Wasser erfordert. Die Arbeitstemperatur der Warmwasseranlagen in diesen Gebäuden ist so weit herabzusetzen, wie es noch mit dem Schutz vor Legionellen zu vereinbaren ist (das wären dann 60 Grad). Ausnahmen: Kitas, Schulen, Pflege, Krankenhäuser.
- Dekorative Beleuchtung von Denkmälern und Gebäuden wird abgeschaltet. Ausnahmen: Kulturveranstaltungen, Volksfeste, Not- und Sicherheitsbeleuchtung.
- Leuchtreklamen müssen von 22 Uhr bis 16 Uhr des Folgetages dunkel bleiben. Ausnahmen: Straßenbeleuchtung und Schaufenster.
- Ladentüren beheizter Geschäfte müssen bis Ende Februar geschlossen gehalten werden. Ausnahme: Fluchtwege.
- Die für Arbeitsräume öffentlicher Gebäude festgelegten Höchsttemperaturen (19 Grad) gelten in gewerblich genutzten Räumen als Mindesttemperatur. Unternehmen können damit die Heizung herunterfahren.
- Spätestens zu Beginn der Heizsaison müssen Gasversorger und Eigentümer größerer Wohngebäude ihre Kunden oder Mieter über den erwarteten Energieverbrauch, dessen Kosten und Einsparmöglichkeiten informieren.
- Ab 1. Oktober sind weitere Schritte geplant – zum Beispiel jährliche Heizungsprüfungen für Gebäude mit Gasheizung. Ein hydraulischer Abgleich wird für große Gebäude mit zentraler Wärmeversorgung durch Erdgas Pflicht. Ungesteuerte Heizungspumpen in Gebäuden mit Erdgasheizung sind auszutauschen.
letzte Änderung U.M.
am 26.10.2024
Autor(en):
Ulf Matzen
Bild:
Bildagentur PantherMedia / LCalek
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Autor:in
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Herr Ulf Matzen
Ulf Matzen ist Volljurist und schreibt freiberuflich Beiträge für Online-Portale und Unternehmen. Ein wichtiges Thema ist dabei das Immobilienrecht, aber auch das Verbraucherrecht ist häufig vertreten. Ulf Matzen ist Mitautor des Lexikons "Immobilien-Fachwissen von A-Z" (Grabener-Verlag) sowie von Kundenzeitungen und Ratgebern.
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