Die
Gaskrise beschäftigt Mieter und Vermieter im Winter 2022/2023. Es gibt Zweifel an der
Versorgungssicherheit mit Gas und Strom. Großvermieter planen geringere Temperaturen in ihren Wohnungen ein. Können Mieter die Miete mindern, wenn der Vermieter die
Heizung herunterregelt oder wenn diese mangels Gas womöglich ausfällt?
Wer wird bei Gasnotstand noch beliefert?
Stand 14.10.2022 sind die deutschen Gasspeicher zu 94,97 % gefüllt. Allerdings scheint der Verbrauch höher zu sein, als erwartet. Vorsätze zum
Gassparen durch Frieren sind schnell vergessen, wenn es kalt wird. Der weitere Verbrauch hängt von der Außentemperatur ab.
Der
Notfallplan Gas hat drei Stufen. Mitte Oktober 2022 gilt die
Alarmstufe, dies ist Stufe 2. Sie wird vom Bundeswirtschaftsministerium ausgerufen, wenn eine Störung der Gasversorgung oder eine außergewöhnlich hohe Nachfrage und damit eine erhebliche Verschlechterung der Gasversorgung vorliegt. Trotzdem geht man noch davon aus, dass der Markt dies ohne staatliche Eingriffe selbst regelt.
In der dritten Stufe, der
Notfallstufe, greift der Staat aktiv ein. Folge wäre, dass die Bundesnetzagentur die
Verteilung von Gas regelt und nicht mehr jeder versorgt wird. Bestimmte Gasverbraucher sind besonders geschützt und müssen so lange wie möglich mit Gas versorgt werden. Dazu gehören Privathaushalte, Krankenhäuser, Feuerwehr, Polizei und Gaskraftwerke, die auch Haushalte mit Wärme versorgen. Industrie und Gewerbe sind derzeit nicht privilegiert.
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Welche Mindesttemperaturen müssen in einer Mietwohnung herrschen?
Als Vermieter dürfen Sie die Temperatur in Ihren Mietwohnungen nicht beliebig herunterregeln. Gesetzliche Mindesttemperaturen gibt es nicht. Es gibt aber Gerichtsurteile, die festlegen, wie warm es in einer Mietwohnung sein muss. Danach sollten tagsüber
in Wohnräumen 20 bis 22 Grad Celsius herrschen. Während das Schlafzimmer mit 18 bis 19 Grad meist etwas kälter sein darf, werden für das Bad eher 21 bis 22 Grad angesetzt. Bei Nacht darf die Temperatur in der Wohnung nicht unter 16 bis 18 Grad sinken – je nach Gericht.
Die Temperaturen gelten in der sogenannten
Heizperiode. Diese ist nicht gesetzlich festgelegt. Gerichte siedeln sie meist zwischen dem
1. Oktober und dem
30. April an. Außerhalb dieser Zeit gilt: Sinkt die Temperatur in der Wohnung länger als ein bis zwei Tage unter 18 Grad, muss die Heizung eingeschaltet werden. Sinkt die Temperatur in der Wohnung unter 16 Grad, muss dies sofort geschehen.
Gaskrise: Haben sich die Mindesttemperaturen geändert?
Die viel diskutierte "Senkung der gesetzlichen Mindesttemperaturen" ist ausgeblieben, weil es solche gar nicht gibt. Ob die Gerichte in Anbetracht der extremen Gaspreise und möglicher Versorgungsengpässe ihre
Rechtsprechung zu den
Mindesttemperaturen anpassen, bleibt abzuwarten.
Ist eine Mietminderung wegen geringerer Heiztemperaturen zulässig?
Bei
Unterschreitung der genannten Mindesttemperaturen liegt nach wie vor ein
Sachmangel der Mietwohnung vor, der Mieter zur Mietminderung berechtigt. Eine Einführung niedrigerer gesetzlicher Mindesttemperaturen ist unwahrscheinlich.
Beispiele:
- Tagsüber (6 - 24 Uhr) muss die Heizung in der Lage sein, mindestens 20 Grad in den Wohnräumen zu erzeugen. 19 Grad sind zu wenig (AG Hamburg, 8.3.1995, Az. 41a C 1371/93).
- Nachts (23 - 6 Uhr) müssen mindestens 18 Grad erreicht werden. 16 Grad reichen nicht aus (AG Köln, 5.7.2016, Az. 205 C 36/16).
Einige
Großvermieter wollen die Temperaturen in gasbeheizten Wohnungen verringern. Dies bewegt sich meist in dem Rahmen, den die bisherigen Gerichtsurteile zumindest zum Teil erlauben, etwa eine
Nachtabsenkung auf 17 Grad. Natürlich kann ein Gericht vor Ort die Ansicht vertreten, dass nachts mindestens 18 Grad herrschen müssen.
Kann eine niedrigere Temperatur vertraglich vereinbart werden?
Mietvertragsklauseln, die es dem Vermieter erlauben, die von Gerichten bestimmten Mindesttemperaturen zu unterschreiten, sind
unwirksam (z. B. LG Berlin, Urteil vom 5.11.1991, Az. 65 S 9/91).
Haben Mieter eine Heizpflicht?
Mieter haben auch ohne ausdrückliche Vereinbarung die
vertragliche Nebenpflicht, mit der Wohnung sorgsam umzugehen und diese vor Schäden zu bewahren. Dazu gehören auch
Frostschäden und
Schimmel. Daher müssen Mieter ausreichend heizen und lüften, damit es nicht zu Schäden kommt. Bestimmte Temperaturen sind nicht vorgeschrieben.
Die erste der beiden
Energieeinsparverordnungen von 2022 – gültig ab 1.9.2022 für sechs Monate – setzt die Wirksamkeit mietvertraglicher Klauseln aus, die Mieter zum Einhalten einer bestimmten Mindesttemperatur verpflichten. So sollen Mieter nach eigenem Ermessen Heizkosten sparen können. Solche Klauseln dürften aber allenfalls als
Individualvereinbarung wirksam sein. Viele Mietverträge wird dies nicht betreffen.
Können erhöhte Heizkosten eine Mietminderung begründen?
Grundsätzlich nicht. Die
erhöhten Heizkosten beeinträchtigen nicht direkt die
Nutzbarkeit der Mietwohnung. Vermieter sollten beachten, dass sie die Heizkostenvorauszahlung in der Regel nur auf Basis der Nachzahlung laut Jahresabrechnung anheben dürfen und nicht "auf Verdacht", um noch ungewisse künftige Kostensteigerungen abzufangen.
Heizungsausfall durch Gasmangellage: Mietminderung?
Fällt die Heizung aus, weil
kein Gas mehr vom Versorger kommt, ist eine
Mietminderung möglich. Denn: Ein Verschulden des Vermieters ist keine Voraussetzung dafür. Die Mietminderung setzt voraus, dass die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung durch einen Mangel beeinträchtigt ist. Dies ist bei einem Heizungsausfall im Winter der Fall. Dass die Heizung technisch intakt ist, ändert nichts.
So hat etwa das OLG Dresden entschieden. Danach muss der Vermieter auch beim Heizungsausfall für Mängel einstehen, die ihre Ursache außerhalb seines Einflussbereiches haben (18.6.2002, Az. 5 U 260/02).
Wie hoch kann eine Mietminderung ausfallen?
Dies ist nicht gesetzlich geregelt. Auch
Mietminderungstabellen sind mit Vorsicht zu behandeln. Die Gerichte betrachten jeden Fall individuell. Das Problem muss zumindest für mehrere Tage bestehen.
Hier einige Beispiele:
- Nach dem Amtsgericht Potsdam ist eine Wohnung mangelhaft, die sich nicht dauerhaft auf 20 Grad aufheizen lässt. Wenn nur teilweise eine Temperatur von 18 Grad erreichbar ist, ist eine Mietminderung um zehn Prozent angemessen (30.4.2012, Az. 23 C 236/10).
- Fällt die Heizung im Winter komplett aus, gestehen die Gerichte den Mietern meist eine Minderung um 70 bis 75 Prozent zu. 70 Prozent waren es nach einem Urteil des LG Berlin in einem Fall, in dem die Wohnung notdürftig über vom Vermieter aufgestellte Heizgeräte erwärmt werden konnte (29.7.2002, Az. 61 S 37/02). Generell sind 100 Prozent möglich, wenn die Wohnung durch Kälte unbewohnbar wird. Dafür müssen meist weitere Faktoren hinzukommen, etwa Ausfall von Warmwasser oder Strom.
- Das Kammergericht Berlin hielt 50 Prozent Mietminderung für angemessen. Dabei ging es um einen Gewerbemietvertrag: In einem Steuerberaterbüro funktionierte im November die Heizung nicht (Urteil vom 28.4.2008, Az. 8 U 209/07).
Darf der Vermieter das Warmwasser abstellen?
Funktioniert die Warmwasserversorgung zeitweise nicht, stellt dies einen Mangel der Mietwohnung dar. Eine
Mietminderung ist möglich. Daran ändert auch die Gaskrise nichts.
Welche Besonderheiten gelten für Gewerberäume?
Auch bei
Gewerberäumen ist eine Mietminderung wegen eines Sachmangels möglich. Welche Temperaturen erreicht werden müssen, hängt stärker vom
Mietzweck und Vertragsinhalt ab. In einer Lagerhalle gelten andere Mindesttemperaturen, als in einem Büro. Ist nichts vereinbart, wird ein Gericht unter Umständen die
Arbeitsstättenverordnung entsprechend heranziehen. Diese macht die Temperaturen am Arbeitsplatz von der Schwere der Arbeiten abhängig. Danach müssen 20 Grad bei leichten Arbeiten im Sitzen und 17 Grad bei mittelschweren Arbeiten im Stehen oder Gehen erreicht werden. Bei schweren Arbeiten reichen 12 Grad.
Bei Gewerbemietverträgen sollte man – genau wie bei
Wohnraummietverträgen über Einfamilienhäuser – beachten, dass manchmal der Mieter laut Mietvertrag die Verantwortung für die Beheizung der Räume selbst übernimmt und einen eigenen Vertrag mit dem
Versorgungsunternehmen abschließt. Dann ist bei einem Versorgungsausfall keine Mietminderung möglich, da der Mieter ausdrücklich die Verantwortung für diesen Bereich übernommen hat.
Im Gewerbemietvertrag kann das
Minderungsrecht vertraglich ausgeschlossen sein. Manche Verträge erlauben eine Mietminderung nur für Mängel, die einvernehmlich oder vom Gericht festgestellt worden sind. Auch kann eine Mietminderung wegen
höherer Gewalt vertraglich ausgeschlossen sein. Dann muss durch Auslegung des Vertrages festgestellt werden, ob eine Gasmangellage nach dem Willen der Vertragspartner unter die "höhere Gewalt" fallen sollte.
Fazit
Dem
Herunterregeln von Heizungen setzt die Rechtsprechung Grenzen. Auch beim krisenbedingten Komplettausfall kann es zu Mietminderungen kommen. Ein Ausweg, um hohe Vorleistungen durch gestiegene Kosten abzufangen, kann eine gütliche Einigung mit den Mietern über höhere Vorauszahlungen unabhängig von der Jahresabrechnung sein –
auf freiwilliger Basis.
letzte Änderung U.M.
am 26.10.2024
Autor(en):
Ulf Matzen
Bild:
Bildagentur PantherMedia / LCalek
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Autor:in
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Herr Ulf Matzen
Ulf Matzen ist Volljurist und schreibt freiberuflich Beiträge für Online-Portale und Unternehmen. Ein wichtiges Thema ist dabei das Immobilienrecht, aber auch das Verbraucherrecht ist häufig vertreten. Ulf Matzen ist Mitautor des Lexikons "Immobilien-Fachwissen von A-Z" (Grabener-Verlag) sowie von Kundenzeitungen und Ratgebern.
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