Ob Centrum-Gruppe oder Signa - in letzter Zeit hört man immer wieder von
Insolvenzen im Immobilienbereich. Weder Vermieter von Mietwohnungen noch von Gewerbeobjekten sind dagegen immun. Wie wirkt sich die Insolvenz des vermietenden Unternehmens auf das Mietverhältnis aus?
Was passiert mit dem Mietvertrag in der Insolvenz?
Der
Mietvertrag bleibt bestehen. Die Insolvenz des Vermieters ändert am Vertrag nichts. Dies ist geregelt in § 108 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO). Das Mietverhältnis besteht mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Mieter müssen weiter Miete zahlen, allerdings an den Insolvenzverwalter und auf das von diesem angegebene Konto. Eine Zahlung an den Vermieter erfüllt die Zahlungspflicht des Mieters nicht, sobald einmal das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Die Vermieterseite muss ihre vertraglichen Pflichten ebenfalls weiter erfüllen und dem Mieter den Gebrauch des Mietobjekts weiter ermöglichen.
Ausnahme: Ist das Mietobjekt bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht an den Mieter übergeben, besteht nach dem Bundesgerichtshof das Mietverhältnis nicht fort. Hier ging es um Gewerberäume (Urteil vom 5.7.2007, Az. IX ZR 185/06).
Mieter erfahren in der Regel durch ein
Schreiben des Insolvenzverwalters, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen ihres Vermieters bzw. des vermietenden Unternehmens eröffnet worden ist. Vom Moment der Insolvenzeröffnung an ist der Insolvenzverwalter Ansprechpartner der Mieter für alle Mietvertragsfragen einschließlich Mietminderungen, Mängel und Kündigungen. Er hat für die korrekte Abrechnung von Betriebskosten und Heizkosten zu sorgen und ist auch für die Instandhaltung des Mietobjekts zuständig.
Handelt es sich bei den Mietern um
gewerbliche Unternehmen und nicht um private Wohnungsmieter, besteht eine größere Vertragsfreiheit. So können zum Beispiel dem Gewerbemieter Instandhaltungspflichten auferlegt werden. Die Pflichten des Insolvenzverwalters richten sich dann nach dem jeweiligen Mietvertrag. Oft wird er eine Hausverwaltung mit den entsprechenden Aufgaben betrauen.
Wie kann das Mietverhältnis während der Insolvenz gekündigt werden?
Anders als in der Insolvenz des Mieters gibt es bei der Insolvenz des Vermieters
kein Sonderkündigungsrecht des Insolvenzverwalters. Auch der Mieter hat kein außerordentliches Kündigungsrecht. Eine Ausnahme kann bestehen, wenn ein solches für genau diesen Fall zwischen den Parteien vorher vertraglich vereinbart wurde. Die Kündigungsrechte von beiden Seiten entsprechen also herkömmlichen Regeln und sind an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie sonst auch. Einziger Unterschied: Nur der Insolvenzverwalter und nicht mehr der Vermieter selbst kann kündigen; eine mieterseitige Kündigung muss an den Insolvenzverwalter gehen.
Kommt es jedoch zu einem
Eigentümerwechsel, tritt der Käufer als neuer Vermieter in das Mietverhältnis ein. Grundsätzlich übernimmt er unverändert den Mietvertrag (§ 566 BGB, "Kauf bricht nicht Miete"). Aber: Er hat aufgrund der Insolvenz des Verkäufers ein einmaliges Sonderkündigungsrecht nach § 111 InsO. Er darf das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen. Diese Kündigung kann nur für den ersten Termin erfolgen, zu dem sie zulässig ist. Danach ist der Erwerber wieder auf die gesetzlichen Kündigungsgründe und -fristen beschränkt.
Gerade für gewerbliche Mieter stellt dieses
Sonderkündigungsrecht einen Unsicherheitsfaktor dar. Ein Verkauf des Objekts kommt bei insolventen Projektentwicklern durchaus häufig vor. Allerdings wird der neue Eigentümer in der Regel nur von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen, wenn er damit etwas zu gewinnen hat - etwa eine Vermietung zu einem höheren Preis. Hier stellt sich dann die Frage, inwieweit die heutige Marktlage dies hergibt.
Übrigens besteht ein entsprechendes Sonderkündigungsrecht auch nach der Veräußerung der Immobilie über eine Zwangsvollstreckung nach § 57a Zwangsvollstreckungsgesetz (ZVG) für den Erwerber. Die Regeln sind gleich.
Was geschieht in der Insolvenz mit der Mietkaution?
Nach § 551 Abs. 3 BGB ist die
Mietsicherheit, wenn sie in Geld hinterlegt wird, getrennt vom sonstigen Vermögen des Vermieters anzulegen. Bei Wohnungsmietern ist immer noch das Kautionssparbuch üblich, welches auf den Namen des Mieters geführt und an den Vermieter verpfändet wird. Eine solche vor der Insolvenz übergebene Mietkaution kann der Mieter bei Beendigung des Mietverhältnisses trotz Insolvenz des Vermieters einfordern, denn er hat ein sogenanntes Aussonderungsrecht. Für die Abwicklung ist der Insolvenzverwalter zuständig. Gibt es keine Gegenforderungen z. B. aufgrund von Schäden oder nicht geleisteten Schönheitsreparaturen, erhält der Mieter die gesamte Kaution zurück.
Wurde die
Mietkaution nicht getrennt vom sonstigen Vermögen des Vermieters angelegt, kann der Mieter nur eine Insolvenzforderung anmelden. Das bedeutet: Er macht einen Anspruch gegen den Insolvenzschuldner geltend, der bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurde. Die Forderung wird in der Insolvenztabelle vermerkt. Spätestens zum Ende des Insolvenzverfahrens wird die Insolvenzquote ermittelt, die bestimmt, wie viel jeder Gläubiger bekommt. Dies hängt davon ab, wie viel Vermögen noch übrig ist und verteilt werden kann. Es ist also möglich, dass der Mieter als einer von vielen Gläubigern nur einen Teil seiner Kaution oder auch gar nichts wiedersieht. Auch vergeht oft viel Zeit.
Auf
Mietverträge über Gewerberäume ist die oben genannte Vorschrift des § 551 BGB nicht anwendbar. Der Vermieter ist hier nicht dazu verpflichtet, die Mietkaution insolvenzsicher anzulegen. Allerdings ist es weithin üblich, bei Gewerbemietverhältnissen keine Barkaution zu hinterlegen, sondern eine Bankbürgschaft als Mietsicherheit zu nutzen. So erleidet der Mieter durch die Insolvenz des Vermieters keinen Schaden.
Wie geht man in der Insolvenz mit Baukostenzuschüssen um?
Nicht selten müssen Gewerberäume vor dem Bezug umgebaut oder angepasst werden. Oft gehen gewerbliche Mieter dabei in Vorleistung, vereinbaren aber mit dem Vermieter, dass dieser einen
Baukostenzuschuss zahlt. Was passiert nun mit diesem Zuschuss, wenn der Vermieter zwischenzeitlich Insolvenz anmeldet? Hier bleibt dem Mieter nichts anderes übrig, als seinen Anspruch auf Auszahlung des Baukostenzuschusses als Insolvenzforderung anzumelden. Dies kann erhebliche finanzielle Auswirkungen haben, da sich bei dem geschäftlichen Projekt des Mieters eine deutliche Finanzierungslücke auftut. Das beste Mittel der Vorbeugung ist, den Baukostenzuschuss von Anfang an durch eine Bankbürgschaft abzusichern. Gewerbliche Mieter, deren Vermieter bereits Insolvenz angemeldet hat, sollten vor weiteren teuren Baumaßnahmen versuchen, klare Vereinbarungen mit dem Insolvenzverwalter zu treffen.
Was gilt für Schadensersatzforderungen des Mieters von vor der Insolvenz?
Insbesondere bei gewerblichen Mietern können durchaus
Schadensersatzansprüche oder Ansprüche auf Zahlung von Vertragsstrafen entstehen, weil der Vermieter zum Beispiel das Gewerbeobjekt nicht rechtzeitig fertigstellt oder vereinbarte Umbauarbeiten nicht beendet sind. Bei späterer Insolvenz des Vermieters kann der Mieter dann lediglich eine Insolvenzforderung anmelden. Anders kann es sein, wenn der Vermieter bzw. Insolvenzverwalter auch nach Insolvenzanmeldung seinen Pflichten nicht nachkommt: Nach Insolvenzeröffnung entstehende Schäden können Masseverbindlichkeiten sein. Eine Masseverbindlichkeit wird bei einer Insolvenz vorrangig vor anderen Verbindlichkeiten in voller Höhe aus der Vermögensmasse bedient.
Welchen Insolvenzschutz bringt eine Mieterdienstbarkeit?
In einigen Branchen - etwa dem Lebensmittel-Einzelhandel - sind
Mieterdienstbarkeiten üblich geworden. Sie dienen der Absicherung des gewerblichen Mieters im Insolvenzfall des Vermieters. Es handelt sich dabei um eine beschränkte persönliche Sicherheit nach § 1090 BGB. Dabei wird dem gewerblichen Mieter gegen Zahlung eines Ausübungsentgeltes ein vom Mietvertrag unabhängiges Nutzungsrecht am Objekt eingeräumt. Dieses Nutzungsrecht besteht neben dem Mietvertrag. Es endet mit dessen Zeitablauf oder Kündigung. Aber: Es endet nicht bei einer vorzeitigen Kündigung nach § 111 InsO oder bei einer Kündigung durch den Erwerber bei einer Zwangsversteigerung nach 57a ZVG. Die Dienstbarkeit wird im Grundbuch eingetragen und stellt eine Belastung des Grundstücks dar. Ein Finanzierungshindernis ist sie meist nicht, insbesondere, wenn die Dienstbarkeit den Vorgaben des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken entspricht.
letzte Änderung U.M.
am 26.03.2024
Autor(en):
Ulf Matzen
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Autor:in
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Herr Ulf Matzen
Ulf Matzen ist Volljurist und schreibt freiberuflich Beiträge für Online-Portale und Unternehmen. Ein wichtiges Thema ist dabei das Immobilienrecht, aber auch das Verbraucherrecht ist häufig vertreten. Ulf Matzen ist Mitautor des Lexikons "Immobilien-Fachwissen von A-Z" (Grabener-Verlag) sowie von Kundenzeitungen und Ratgebern.
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