Eine
Aufklärungspflicht haben private Immobilienverkäufer, wenn ein bestimmter Umstand für den Käufer entscheidend ist, also seine Kaufentscheidung maßgeblich beeinflussen kann.
Man unterscheidet zwei Situationen: Einerseits Probleme, nach denen der Käufer
explizit gefragt hat. Daraus ergibt sich, dass es sich für ihn um einen entscheidenden Punkt handelt. Andererseits Punkte, über die der Verkäufer auch
ungefragt aufklären muss, weil sie für jeden Kaufvertrag maßgeblich sind.
Worüber muss der Verkäufer auf Nachfrage aufklären?
Hat der Käufer eine konkrete Frage gestellt, besteht eine Aufklärungspflicht. Der Verkäufer muss wahrheitsgemäß antworten. Er darf Mängel nicht herunterspielen. Er darf keine Angaben "ins Blaue hinein" machen, wenn er nicht genau Bescheid weiß.
Beispiel: Der Kaufinteressent fragt, ob das Gebäude mit Asbest belastet ist. Der Verkäufer hat sich darum nie gekümmert. Es ist ihm auch egal, denn er hält Asbest für ungefährlich. Also sagt er "nein". Hier verletzt er seine Aufklärungspflicht. Wird tatsächlich Asbest entdeckt, haftet er.
Worüber muss der Verkäufer ungefragt aufklären?
Ein privater Immobilienverkäufer muss den Kaufinteressenten ungefragt über alle Details aufklären, die für die Kaufentscheidung wesentlich sein können.
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Beim Thema Sachmängel der Immobilie haben
gesundheitsgefährliche Schadstoffe einen besonderen Stellenwert. Dies betrifft Asbest, Bleirohre, krebserregende alte Bitumen-Teerpappe oder andere Materialien. Es kommt dabei nicht darauf an, ob Grenzwerte überschritten werden oder Gesundheitsschäden aufgetreten sind. Das Vorhandensein dieser Materialien ist ein aufklärungspflichtiger Sachmangel an sich. Dies gilt auch für alles, was die Bausubstanz bedroht.
Beispiele für aufklärungspflichtige
Sachmängel:
- Asbest oder andere gesundheitsgefährliche Baustoffe (BGH, Urteil vom 27.3.2009, Az. V ZR 30/08),
- Wasserleitungen aus Blei (OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.10.2019, Az. 24 U 251/18).
- Verdacht auf Hausschwamm (BGH, Urteil vom 7.2.2003, Az. V ZR 25/02),
- erheblicher Befall des Dachbodens / Dachstuhls mit Holzwurm / Nagekäfer (LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 16.3.2022, Az. 12 O 5997/20),
- Holzwurm- und Pilzbefall bei Fachwerkhaus (OLG Braunschweig, Urteil vom 16.11.2018, Az. 9 U 51/17).
- Feuchtigkeit im Keller (KG Berlin, Urteil vom 20.6.2005, Az. 8 U 220/04).
- Gefahr von Überflutung und Hochwasser (BGH, Urteil vom 8.11.1991, Az. V ZR 193/90).
- gelegentlicher Gestank durch Abwasserkanal im Keller (OLG Bamberg, Urteil vom 15.7.2002, Az. 4 U 196/01)
- Grundstück mit Bambuswurzeln durchsetzt, Bausubstanz angegriffen (OLG Düsseldorf, 29.4.2014, Az. I-21 U 82/13).
Auch bei
Rechtsmängeln kann Aufklärungspflicht bestehen. Diese können die Nutzbarkeit der Immobilie für den Käufer genauso beeinträchtigen. Beispiele:
- Haus ohne Baugenehmigung gebaut (BGH, Urteil vom 30.04.2003, Az. V ZR 100/02),
- Gebäude mit Mietpreisbindung (BGH, Urteil vom 14.09.2018, Az. V ZR 165/17),
- Verstoß gegen Bauvorschriften, z. B. Baugenehmigung nur für Gewerbeimmobilie, aber Verkauf als Wohnhaus (BGH, Urteil vom 10.06.1988, Az. V ZR 125/87),
- Mieter hat Zahlungsschwierigkeiten (BGH, Urteil vom 31.01.2003, Az. V ZR 389/01),
-
Von Umgebungsmängeln spricht man, wenn diese nicht direkt das Gebäude selbst betreffen. Auch hier kann eine Aufklärungspflicht bestehen. Beispiele:
- Massive Probleme mit Nachbarn (Beleidigungen, Drohungen, tätliche Angriffe, nächtlicher Dauerlärm, OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 20.10.2004, Az. 4 U 84/01),
- Erhebliche Lärmbelästigung durch Seniorentagesstätte im gleichen Gebäude (LG Coburg, Urteil vom 23.12.2014, Az. 23 O 358/13),
Wie können sich private Immobilienverkäufer absichern?
Manche Immobilienkäufer meinen, dass der Verkäufer für alle Schäden und Mängel haftet, die sich nach dem Kauf zeigen. Viele Verkäufer verweisen dagegen pauschal auf den Grundsatz "gekauft wie gesehen". Beides ist nicht ganz korrekt.
Meist enthält ein notarieller Immobilienkaufvertrag zwischen Privatleuten einen
Haftungsausschluss. Darin wird festgehalten, dass der Verkäufer nicht für Mängel oder Schäden an der Immobilie haftet, die nach dem Eigentumsübergang auftreten. Private Verkäufer können eine solche Klausel wirksam in den Kaufvertrag aufnehmen. Im Grunde kauft der Käufer die Immobilie also "wie gesehen".
Man kann in den Kaufvertrag auch einen speziellen Haftungsausschluss aufnehmen, der sich auf bestimmte Eigenschaften der Immobilie bezieht.
Beispiel: Der Verkäufer hat ein bestimmtes Alter der Heizanlage angegeben. Er schützt sich durch eine spezielle Klausel vor Ansprüchen des Käufers für den Fall, dass diese Angabe nicht stimmt. Ein Haftungsausschluss kann auch eine Liste mit bekannten Mängeln enthalten. In diesem Fall kann der Käufer wegen dieser Mängel später keine Ansprüche mehr geltend machen.
Wann haftet der Verkäufer trotz Haftungsausschluss?
Der Verkäufer
haftet trotz Haftungsausschluss, wenn er einen Mangel arglistig verschwiegen hat, für den eine Aufklärungspflicht bestand (§ 444 BGB). In der Regel muss es sich dabei um einen Mangel gehandelt haben, den der Käufer bei der Besichtigung nicht sofort hätte erkennen können (versteckter Mangel).
Arglist bedeutet: Er muss von dem Mangel gewusst haben und ihn bewusst verschwiegen, darüber gelogen oder ihn bagatellisiert haben. Arglist erfordert nicht unbedingt ausdrückliches Lügen! Sogar Angaben "ins Blaue hinein", also ohne etwas genau zu wissen, gelten vor Gericht als Arglist. Im letzteren Fall ist es keine Arglist, wenn der Verkäufer durchblicken lässt, dass er sich mit dem betreffenden Punkt nicht auskennt und sich nicht festlegen will.
Kann der Käufer beweisen, dass der Verkäufer über einen Mangel Bescheid wusste, den er abgeleugnet hat oder über den er hätte aufklären müssen, haftet dieser trotz Haftungsausschluss.
Beispiel: Ein Hauseigentümer lässt jahrelang erfolglos Schimmelsanierungen durchführen. Irgendwann reicht es ihm, und er lässt alles weiß überstreichen und verkauft das Haus. Der Käufer stellt bald fest, dass überall Schimmel zum Vorschein kommt. Er will sich beraten lassen und gerät an die gleiche örtliche Handwerksfirma, die der Voreigentümer beauftragt hat. Hier erfährt er, dass der Mangel lange bekannt war.
Fachfirma: Wann liegt Arglist vor?
Wenn der Verkäufer mit der Beseitigung von Mängeln einen Fachbetrieb beauftragt hat, kann er davon ausgehen, dass alles in Ordnung ist (BGH, Urteil vom 19.02.2016, Az. V ZR 216/14). Man kann ihm keinen Vorwurf machen, wenn er einen Käufer nicht aufklärt. Andererseits: Kennt er konkrete Umstände, die darauf hindeuten, dass die Mängelbeseitigung erfolglos war, hat er eine Aufklärungspflicht.
Beispiel: Vom Holzwurm befallene Dachbalken wurden ausgetauscht. Nach einiger Zeit sind wieder "Sägemehlhäufchen" und frische Löcher in Dachbalken vorhanden. Verschweigt der Verkäufer dies, liegt Arglist vor (BGH, 19.2.2016, Az. V ZR 216/14).
Welche Folgen hat die Haftung?
Getäuschte Käufer können bei Vorliegen eines Mangels
Nacherfüllung verlangen (Beseitigung des Mangels). Scheitert diese, ist sie unmöglich oder dem Käufer nicht zumutbar, kommt auch ein Rücktritt vom Kaufvertrag oder wahlweise eine Kaufpreisminderung in Betracht. Hat der Verkäufer seine Pflichten verletzt, kann Schadensersatz verlangt werden.
Schadensersatz kann grundsätzlich in Höhe der geschätzten Kosten für die Mängelbeseitigung ohne Umsatzsteuer gefordert werden. Letztere kann nur verlangt werden, wenn sie tatsächlich angefallen ist. Dem BGH zufolge kann der Schadensersatz die voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten, fiktiven Mängelbeseitigungskosten umfassen (Urteil vom 12.3.2021, Az. V ZR 33/19). Es kann also Schadensersatz auf Basis eines Kostenvoranschlags einer Fachfirma verlangt werden, unabhängig davon, ob die Arbeiten dann von dieser durchgeführt werden. Zusätzlich ist ein Schadensersatz für eine dauerhafte Wertminderung möglich.
Kommt es zum
Rücktritt, muss der Käufer nicht nur den Kaufpreis, sondern auch die mit dem Kauf verbundenen Kosten, wie etwa Notar- und Grundbuchkosten, erstatten.
Tipp: Beide Seiten sollten sich bei einem privaten Immobilienkauf bestmöglich absichern. Die Aufnahme von Mängeln in den Kaufvertrag ist im Interesse des Verkäufers zu empfehlen, ebenso wie der Einsatz eines Sachverständigen, der das Kaufobjekt im Auftrag des Käufers überprüft, um diesen vor unangenehmen Überraschungen zu bewahren.
letzte Änderung U.M.
am 04.12.2023
Autor(en):
Ulf Matzen
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Autor:in
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Herr Ulf Matzen
Ulf Matzen ist Volljurist und schreibt freiberuflich Beiträge für Online-Portale und Unternehmen. Ein wichtiges Thema ist dabei das Immobilienrecht, aber auch das Verbraucherrecht ist häufig vertreten. Ulf Matzen ist Mitautor des Lexikons "Immobilien-Fachwissen von A-Z" (Grabener-Verlag) sowie von Kundenzeitungen und Ratgebern.
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