Eine
Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu
verschenken, statt sie zu vererben, kann steuerliche Vorteile haben. Allerdings sollte man auch die zivilrechtlichen Folgen einer solchen Schenkung kennen.
Viele Immobilieneigentümer nutzen die Schenkung, um bei Lebzeiten ihre Immobilie zum Beispiel auf ihre Kinder zu überschreiben. Zwar fällt hier grundsätzlich
Schenkungssteuer an; es gibt aber mehr Möglichkeiten für
steuerlich günstige Konstruktionen. Dabei wird oft vergessen, dass die Schenkung einer Immobilie auch Konsequenzen zivilrechtlicher bzw. erbrechtlicher Art hat. Erfolgt eine Beratung nur durch einen Steuerberater, werden diese womöglich übersehen.
Welche erbrechtlichen Folgen hat die Schenkung einer Immobilie?
Durch eine Schenkung wird der künftige Nachlass kleiner. Geht sie allein zur Einsparung von
Erbschaftssteuer an die Person, die sowieso erben würde, wird sich diese kaum beschweren. Oft wird mit der Schenkung jedoch jemand anders bedacht oder es gibt weitere Erben, für die dann kaum etwas übrig bleibt. Die schenkende Person setzt die Schenkung der Immobilie hier als
Mittel der Enterbung ein, ohne dass eine Regelung im
Testament erfolgt. In solchen Fällen entsteht sehr oft Streit.
Welche Folgen hat eine Enterbung für den Pflichtteil?
Enterbt jemand per Testament seine nahen Angehörigen, indem er sein Vermögen anders verteilt, als dies bei gesetzlicher Erbfolge der Fall wäre, gehen diese nicht zwingend leer aus. Oft haben sie nämlich einen Anspruch auf einen
gesetzlichen Pflichtteil in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils. Pflichtteilsberechtigt sind:
- Abkömmlinge des Erblassers (eheliche und nichteheliche Kinder, aber auch Enkel, wenn deren Elternteil als Kind des Erblassers bereits verstorben ist),
- Eltern des Erblassers,
- Ehepartner.
Pflichtteilsberechtigte sind keine Erben und keine Mitglieder der Erbengemeinschaft. Sie haben nach dem Ableben des Erblassers einen
Anspruch gegen die Erben auf Auszahlung ihres Pflichtteils. Regelung: § 2303 BGB.
Was ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Bei einer Schenkung erfolgt keine Enterbung per Testament. Trotzdem kann man den Pflichtteil nicht einfach per Schenkung umgehen. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch bedeutet: Alles, was der Erblasser oder die Erblasserin in den zehn Jahren vor dem eigenen Tod verschenkt,
wird dem Nachlass fiktiv hinzugerechnet. Die Schenkung an sich bleibt wirksam. Der oder die Erben haben jedoch den Pflichtteil in der Höhe auszuzahlen, als ob keine Schenkung stattgefunden hätte.
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Handelt es sich um verbrauchbare Geschenke, wird deren
Wert zur Zeit der Schenkung angesetzt. Bei unverbrauchbaren Geschenken wie Immobilien gilt das
Niederstwertprinzip: Ist der Wert zum Zeitpunkt der Schenkung und zum Zeitpunkt des Erbfalls unterschiedlich, wird der niedrigere genommen. Ist der Wert der Immobilie seit der Schenkung gestiegen, ist der Wert zur Zeit der Schenkung maßgeblich. Regelung: § 2325 BGB.
Wie berechnet sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Der Wert der Schenkung wird dem Nachlass nicht immer komplett zugerechnet, sondern anteilig, abhängig vom Zeitabstand zum Erbfall:
- Erfolgt die Schenkung innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall, wird sie voll angerechnet.
- Innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall wird sie um ein Zehntel weniger berücksichtigt.
Beispiel: Albert hat drei Kinder. Sein Vermögen besteht aus einer Eigentumswohnung im Wert von 300.000 Euro. Laut Testament sollen seine Söhne Thomas und Martin je die Hälfte erben. Der dritte Sohn Lorenz soll leer ausgehen, weil sich Albert mit ihm nicht mehr verstanden hat.
Jetzt würden also Thomas und Martin je die Hälfte der Wohnung erben, zu einem Anteil von je 150.000 Euro. Der Nachlasswert läge bei 300.000 Euro. Lorenz hätte einen Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils (der 1/3 betragen würde). Lorenz könnte also von seinen Brüdern 50.000 Euro verlangen.
Nun stellt sich heraus, dass Albert sechs Monate vor seinem Tod 60.000 Euro Barvermögen an Chantalle, 26, Kellnerin in seiner Stammkneipe, verschenkt hat.
Damit erhöht sich der Nachlasswert fiktiv auf 360.000 Euro. Lorenz gesetzlicher Erbteil läge damit theoretisch bei 120.000 Euro. Zusätzlich zu seinem Pflichtteilsanspruch von 50.000 Euro kann er noch eine Pflichtteilsergänzung von 10.000 Euro fordern.
Gegen wen richtet sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Der Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch ist ein
Zahlungsanspruch gegen die Erben. Im obigen Beispiel kann also Lorenz von den Brüdern verlangen, ihm entweder 60.000 Euro zu zahlen oder die Zwangsvollstreckung in die Immobilie zu dulden.
Nun kann es aber auch sein, dass eine Immobilie verschenkt wird und die Erben nur etwas Barvermögen und damit den geringeren Teil des Nachlasses erhalten haben. Ist bei den Erben zu wenig Nachlass vorhanden, um den Pflichtteilsergänzungsanspruch zu decken, kann der Pflichtteilsberechtigte
direkt die beschenkte Person in Anspruch nehmen und die Herausgabe des Geschenks fordern. Dies gilt auch, wenn der Pflichtteilsberechtigte der alleinige Erbe ist. Wurde etwas anderes als Geld verschenkt, kann der Beschenkte die Rückforderung durch eine Zahlung in entsprechender Höhe abwenden. Regelung: § 2329 BGB.
Wie erfährt der Enterbte von der Nachlasshöhe?
Pflichtteilsberechtigte haben einen
Anspruch auf Auskunft gegen die Erben. Dies schließt ein genaues Nachlassverzeichnis ebenso ein wie die Ermittlung etwaiger Schenkungen und der beschenkten Personen, ggf. mit eidesstattlicher Erklärung.
Was ist eine Anstandsschenkung?
Dies ist eine Schenkung, durch die einer
sittlichen Pflicht oder einer
auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird. In der Regel sind dies kleinere Zuwendungen wegen Geburtstagen, Jubiläen, Weihnachten oder einer Hochzeit. In besser situierten Kreisen kann es auch schon mal eine Motoryacht zur Hochzeit sein (OLG Düsseldorf, Az. I-7 U 40/16). Auf solche Schenkungen sind die §§ 2325 bis 2329 BGB nicht anwendbar und es besteht kein Pflichtteilsergänzungsanspruch. Regelung: § 2330 BGB
Welche Besonderheit gilt bei der Schenkung an Ehegatten?
Ist die Schenkung an den Ehegatten des Erblassers gegangen, beginnt die
Zehn-Jahres-Frist nicht vor Auflösung der Ehe zu laufen. Einfacher formuliert: Dauerte die Ehe bis zum Tod, wird eine Schenkung an den Ehepartner immer in voller Höhe angerechnet. Dies wurde vom Bundesverfassungsgericht bestätigt (Beschluss vom 26.11.2018, Az. 1 BvR 1511/14).
Regelung: § 2325 Abs. 3 BGB.
Welche Folgen hat eine Erbausschlagung?
Schlägt jemand sein Erbe aus, verliert er auch den Pflichtteilsanspruch. Allerdings bleibt der Pflichtteilsergänzungsanspruch bestehen. Einzige Voraussetzung ist, dass es sich grundsätzlich um eine pflichtteilsberechtigte Person handelt.
Was gilt bei der Schenkung einer Immobilie mit Nießbrauchs- oder Wohnrecht?
Oft wird bei der Schenkung einer Immobilie ein
Nießbrauchsrecht (hinsichtlich von Mietzahlungen) oder ein lebenslanges Wohnrecht zugunsten des Schenkers vereinbart. Nach einem BGH-Urteil zum Wohnrecht liegt im Regelfall trotzdem eine Schenkung vor, sodass die zehnjährige Abschmelzungsfrist zu laufen beginnt. Entscheidend ist, dass der Schenkende die Immobilie nicht mehr im Wesentlichen selbst nutzen und auf Dritte übertragen kann (Urteil vom 29.6.2016, Az. IV ZR 474/15). Bei der Wertermittlung muss in der Regel der Kapitalwert des Nutzungsrechtes vom Wert der Immobilie abgezogen werden.
Welche Risiken bringt Schenkung statt Erben?
Eine Schenkung lässt sich nur im Ausnahmefall wieder rückgängig machen, etwa bei
grobem Undank oder Verarmung des Schenkers. Es ist nicht möglich, es sich wieder anders zu überlegen, weil man sich mit der beschenkten Person nicht mehr versteht. Auch kann es passieren, dass diese in Geldschwierigkeiten gerät und die geschenkte Immobilie dann von Dritten gepfändet wird. Ebenso kann die beschenkte Person sterben, sodass jemand die Immobilie erbt, den der Schenkende nicht mag. Zur Absicherung kann im notariellen Schenkungsvertrag ein Rückforderungsrecht vereinbart werden, falls bestimmte Bedingungen eintreten.
letzte Änderung U.M.
am 31.07.2024
Autor(en):
Ulf Matzen
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Autor:in
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Herr Ulf Matzen
Ulf Matzen ist Volljurist und schreibt freiberuflich Beiträge für Online-Portale und Unternehmen. Ein wichtiges Thema ist dabei das Immobilienrecht, aber auch das Verbraucherrecht ist häufig vertreten. Ulf Matzen ist Mitautor des Lexikons "Immobilien-Fachwissen von A-Z" (Grabener-Verlag) sowie von Kundenzeitungen und Ratgebern.
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