Bei einer geerbten
Immobilie ist die
Erbschaftssteuer ein wichtiges Thema. Womöglich muss die Immobilie verkauft werden, um die Steuer zu bezahlen. Es gibt jedoch Freibeträge und Steuerbefreiungen für bestimmte Personen.
Bei einer Erbschaft oder
Schenkung fällt Erbschaftssteuer an. Deren Höhe richtet sich nach dem Wert der Vermögensgegenstände und nicht nach deren Art. Der Gesetzgeber möchte nahe Verwandte vor dem Verlust ihres Familienheims schützen.
Welche Freibeträge gibt es bei der Erbschaftssteuer?
Hohe
Freibeträge gibt es nur für sehr nahe Angehörige. Ehepartner profitieren von einem Freibetrag in Höhe von 500.000 Euro. Kinder sowie Kinder verstorbener Kinder (also Enkel des Verstorbenen, deren entsprechender Elternteil nicht mehr lebt) haben einen Freibetrag von 400.000 Euro. Normalerweise sind es bei Enkeln 200.000 Euro. Bei den übrigen
Personen der Steuerklasse I (also insbesondere den Eltern) sind es 100.000 Euro.
Personen der Steuerklasse II haben einen Freibetrag von 20.000 Euro. Dazu gehören Geschwister, Nichten und Neffen, Stiefeltern, Schwiegerkinder und Schwiegereltern sowie geschiedene Ehepartner. Ebenso hoch ist der Freibetrag für Personen der Steuerklasse III, etwa Freunde des Verstorbenen.
Bei den heutigen Immobilienpreisen fällt bei vielen Immobilien-Erbschaften Erbschaftssteuer an, da der Freibetrag überschritten wird. Freibetrag bedeutet, dass nur der Betrag zu versteuern ist, der über dem Freibetrag liegt.
Wie hoch sind die Steuersätze?
Die Steuersätze hängen vom
Verwandtschaftsgrad (Steuerklassen I, II oder III) ab, sowie vom
zu versteuernden Betrag. Beträgt dieser bis zu 75.000 Euro, sind in der Steuerklasse I 7 %, in der Steuerklasse II 15 % und in der Steuerklasse III 30 % zu versteuern. Bei bis zu 300.000 Euro sind es 11, 20 und 30 Prozent und bei bis zu 600.000 Euro 15, 25 und 30 %. Eine genaue Tabelle enthält § 19 ErbStG.
Am günstigsten fährt also die Steuerklasse I. Dazu gehören Ehegatten/eingetragene Lebenspartner, Kinder und Stiefkinder sowie deren Abkömmlinge, Eltern und Großeltern.
Beispiel: Frau Meier erbt als Schwester eines Verstorbenen ein Grundstück im Wert von 300.000 Euro. Als Schwester gehört sie zur Steuerklasse II. Ihr Freibetrag beträgt 20.000 Euro. Sie muss also 300.000 - 20.000 = 280.000 Euro mit einem Steuersatz von 20 % versteuern. Zu zahlen sind 56.000 Euro Erbschaftssteuer. Ist kein weiteres Barvermögen vorhanden, muss Frau Meier das Haus verkaufen.
Ausnahmen: Welche Vorteile gibt es für nahe Angehörige und das Familienheim?
Der Gesetzgeber möchte vermeiden, dass Menschen aus ihrem gewohnten Heim ausziehen müssen, weil das Familienmitglied verstorben ist, dem das Haus gehörte. Daher wurden Ausnahmen geschaffen.
§ 13 Absatz 1 Nr. 4b und 4c des Erbschaftssteuergesetzes sieht eine
Steuerbefreiung vor. Diese betrifft:
- Ehegatten und eingetragene Lebenspartner,
- Kinder,
- Kinder verstorbener Kinder (also Enkel des Verstorbenen, deren vom Erblasser abstammender Elternteil nicht mehr lebt).
Voraussetzungen:
- Der Erblasser hat bis zu seinem Tod selbst in der Immobilie gewohnt oder war daran aus zwingenden Gründen gehindert (weil er sich zum Beispiel in einem Pflegeheim befand).
- Der Erbe nutzt nach dem Erbfall die Immobilie unverzüglich weiter selbst zum Wohnen. Eine anderweitige Zwischennutzung etwa durch Vermietung führt zur Steuerpflicht.
Bei
Kindern und Kindern verstorbener Kinder als Erben gibt es eine Besonderheit: Die Wohnfläche der Wohnung darf
nicht mehr als 200 qm betragen. Beträgt die Wohnfläche zum Beispiel 250 qm, sind 200 qm steuerfrei und 50 zu versteuern. Die 200-qm-Grenze gilt bei mehreren Kindern nicht pro Kind, sondern pro Immobilie. Diese Einschränkung gibt es bei Ehegatten nicht.
Wann entfällt die Steuerbefreiung?
Der Erbe oder die Erbin muss entweder schon mit in Haus oder Wohnung gewohnt haben oder dort nach dem Erbfall einziehen. Erben müssen mindestens
10 Jahre lang in der Immobilie wohnen bleiben. Bei einer Aufgabe der Selbstnutzung etwa durch Vermietung oder Verkauf vor Ablauf der Zehnjahresfrist entsteht rückwirkend wieder Erbschaftssteuerpflicht. Ein längerer Leerstand gilt als Aufgabe der Selbstnutzung. Dann ist die Steuer nachzuzahlen. Ausnahme: Der Erbe ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert.
Die Befreiung von der Erbschaftssteuer für eine selbstgenutzte Immobilie entfällt auch, wenn der Erbe aufgrund von Testament, Erbvertrag oder einer vertraglichen Absprache mit dem Erblasser dazu verpflichtet ist, die geerbte Immobilie an einen Dritten zu übertragen. Eine
Übertragung der Immobilie auf einen anderen Erben im Zuge einer Nachlassteilung führt ebenfalls zur Steuerpflicht.
Was heißt "unverzüglich"? Darf man die Immobilie erst sanieren?
Viele Erben von Immobilien fragen sich, was denn unter einer "unverzüglichen" Selbstnutzung der Immobilie zu verstehen ist. In aller Regel möchte man nicht in das Haus der Eltern oder Großeltern einziehen, ohne dieses zunächst zu renovieren, zu sanieren oder den modernen Verhältnissen in Sachen Dämmung und Energie anzupassen. Wer in letzter Zeit einmal versucht hat, Handwerker und Baumaterial für ein größeres Projekt zu bekommen, wird wissen, dass so etwas nicht schnell umzusetzen ist. Aber: Eine
lange Sanierung kann der Steuerbefreiung schaden.
Dazu entschied 2021 der Bundesfinanzhof (BFH). Ein Sohn hatte als Alleinerbe seines Vaters eine Doppelhaushälfte geerbt, in der dieser bis zu seinem Tod gelebt hatte. Der Sohn bewohnte die andere Hälfte. Nachdem der Vater verstorben war, begann der Sohn - teils in Eigenleistung - mit Sanierungsarbeiten und verband beide Häuser zu einem. In die so entstandene Wohnung zog er 34 Monate nach dem Erbfall ein. Das Finanzamt verweigerte ihm die Steuerbefreiung, weil er die geerbte Immobilie nicht unverzüglich nach dem Erbfall weiter bewohnt habe. Das Finanzgericht entschied ebenso.
Der Fall ging bis zum BFH. Dieser erklärte: Grundsätzlich greife die Steuerbefreiung, wenn der
Einzug des Erben innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall stattfinde. Dies sei eine angemessene Frist zum Überlegen, Prüfen und Umziehen. Dieser Zeitraum war hier deutlich überschritten. Trotzdem komme eine Steuerbefreiung in Frage.
Die Steuerbefreiung greife auch, wenn der Erbe ein geerbtes Haus mit einem ihm schon gehörenden Haus zu einer neuen Wohnung verbinde. Kinder als Erben müssten lediglich die 200-qm-Grenze bei der Wohnfläche einhalten. Die Selbstnutzung durch den Erben müsse innerhalb einer angemessenen Zeit beginnen. Nicht als Selbstnutzung zähle die Nutzung von Balkon, Garten oder von Zimmern als Lagerraum.
Beginne die Selbstnutzung erst nach Ablauf von sechs Monaten, müsse der Erbe für die Steuerbefreiung nachweisen, dass er die
Verzögerung nicht verschuldet habe. Dies sei zum Beispiel der Fall, wenn erst nach der Entscheidung für den Einzug gravierende Baumängel festgestellt würden, die man mit hohem Zeitaufwand beseitigen müsse. Im vorliegenden Fall sei es während der Renovierung zu einem Wasserschaden gekommen, der eine lange Trocknung erfordert habe. Auch dies sei eine unverschuldete Verzögerung.
Könnten die Handwerker wegen Arbeitsüberlastung die Aufträge nicht zeitnah durchführen, sei dies nicht dem Erben anzulasten. Es liege auch kein Verschulden des Erben vor, wenn er auf technische Möglichkeiten zur Beschleunigung verzichte, weil dies unwirtschaftlich sei. Hier sei es dem Erben nicht vorzuwerfen, dass er keine Trocknungsgeräte eingesetzt, sondern auf die natürliche Trocknung gewartet habe. Für die Steuerbefreiung müsse der Erbe nachweisen, dass die Verzögerungen nicht seine Schuld seien (Urteil vom 6.5.2021, Az. II R 46/19).
Der BFH verwies den Fall zur weiteren Prüfung an das Finanzgericht Münster zurück. Dieses verurteilte das Finanzamt dazu, die Steuerbefreiung zu gewähren (Urteil vom 30.6.2022, Az. 3 K 3184/17).
Wie ist das Verhältnis von Freibetrag und Steuerbefreiung?
Die Steuerbefreiung hinsichtlich der vererbten Immobilie bzw. des Familienheims führt dazu, dass dieses
nicht beim Freibetrag mitzählt. Ein Ehepartner kann also zusätzlich noch 500.000 Euro anderes Vermögen steuerfrei erben und ein Kind 400.000 Euro.
Muss ich das Finanzamt über die Immobilien-Erbschaft informieren?
Grundsätzlich müssen Erben das
Finanzamt innerhalb von drei Monaten ab Kenntnis von der Erbschaft über diese informieren. Zuständig ist das Finanzamt am letzten Wohnort des Erblassers. Nicht erforderlich ist dies, wenn die Erbschaft auf einem vom Nachlassgericht oder Notar eröffneten Testament beruht. Dann informieren diese das Finanzamt. Aber: Sobald Immobilien zur Erbmasse gehören, muss auch der Erbe das Finanzamt in Kenntnis setzen (§ 30 ErbStG). Eine Erbschaftssteuererklärung wird erst fällig, wenn das Finanzamt diese verlangt.
letzte Änderung U.M.
am 22.07.2024
Autor(en):
Ulf Matzen
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Autor:in
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Herr Ulf Matzen
Ulf Matzen ist Volljurist und schreibt freiberuflich Beiträge für Online-Portale und Unternehmen. Ein wichtiges Thema ist dabei das Immobilienrecht, aber auch das Verbraucherrecht ist häufig vertreten. Ulf Matzen ist Mitautor des Lexikons "Immobilien-Fachwissen von A-Z" (Grabener-Verlag) sowie von Kundenzeitungen und Ratgebern.
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