Finanzgericht Rheinland-Pfalz hält Grundsteuer-Bewertung nach Bundesmodell für verfassungswidrig

Das Finanzgericht in Rheinland-Pfalz hat zwei Eilanträgen zur Grundstücksbewertung nach dem neuen Grundsteuer- und Bewertungsrecht stattgegeben – der Begründung zufolge wegen „ernstlicher Zweifel“ an Rechtmäßigkeit und Verfassungsmäßigkeit (Az. 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23). Damit ist es erstmals Steuerpflichtigen gelungen, vor einem Finanzgericht eines Bundeslandes mit ihren Einwänden gegen die Bewertung nach dem sogenannten Bundesmodell durchzudringen. Das Bundesmodell wird in Rheinland-Pfalz und in zehn weiteren Bundesländern angewendet. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen hat das Finanzgericht die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Im ersten Streitfall ging es um ein 1880 gebautes Einfamilienhaus, das seit Jahrzehnten unrenoviert ist und noch einfachverglaste Fenster hat. Daher fanden die Eigentümer den gesetzlich normierten Mietwert pro Quadratmeter überhöht, den das Finanzamt zusammen mit den Bodenrichwerten in voller Höhe für die Feststellung des Grundsteuerwerts verwendet hatte. Der zweite Streitfall betraf ein 1977 errichtetes Einfamilienhaus. Hier kritisierten die Eigentümer die Verwendung des vom Gutachterausschuss ermittelten Bodenrichtwertes, da das Grundstück aufgrund einer Bebauung in zweiter Reihe, der Grundstückserschließung nur durch einen Privatweg und einer besonderen Hanglage nur eingeschränkt nutzbar sei. 
Das Finanzgericht hat mit den beiden Eilbeschlüssen die Vollziehung des jeweiligen Grundsteuerwertbescheids ausgesetzt, weil es „nach summarischer Prüfung ernstliche Zweifel sowohl an der einfachrechtlichen Rechtmäßigkeit der einzelnen Bescheide als auch an der Verfassungsmäßigkeit der zugrundeliegenden Bewertungsregeln“ gebe. Diese Zweifel betreffen vor allem die gesetzlich geforderte Unabhängigkeit der rheinland-pfälzischen Gutachterausschüsse sowie die für die Ermittlung der Bodenrichtwerte notwendige Datengrundlage.

Darüber hinaus kritisierten die Richter, dass Steuerpflichtige – im Einzelfall und unter bestimmten Bedingungen – keine Möglichkeit haben, einen unter dem typisierten Grundsteuerwert liegenden Wert ihres Grundstücks nachzuweisen. Das ließ die Richter an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bewertungsregelungen im Hinblick auf eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz zweifeln: Wegen der großen Zahl gesetzlicher Typisierungen und Pauschalierungen und einer nahezu vollständigen Vernachlässigung aller individuellen Umstände der konkret bewerteten Grundstücke könne es zu unzulässigen Wertverzerrungen für den gesamten Kernbereich der Grundsteuerwertermittlung kommen. 

Kritisch, so die Richter weiter, sei in diesem Zusammenhang auch die Ermittlung der Bodenrichtwerte, weil diese Werte häufig aus der Aufteilung von Gesamtkaufpreisen in einen Gebäude- und einen Bodenanteil ermittelt würden. Die Gutachterausschüsse hätten jedoch keine effektive Instrumente, um die Sachverhalte zu ermitteln und die Angaben von Grundstückseigentümern zu verifizieren.

Erstellt von (Name) E.R. am 18.12.2023
Geändert: 02.05.2024 08:55:48
Autor:  Petra Hannen
Quelle:  Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Bild:  Bildagentur PantherMedia / maxxyustas
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