Neulich im Golfclub: Förderung des Wohnungsbaus vorteilhaft?

Prof. Dr. Peter Hoberg
Es war wieder soweit. Nach einer anstrengenden Woche trafen sich die erfolgreichen Unternehmer der Kleinstadt wieder im örtlichen Golfclub, weniger des Sportes wegen, sondern hauptsächlich, um unter sich zu sein. Sie saßen im gemütlichen Kaminzimmer und wurden von Ihrer Lieblingskellnerin Pauline bedient. Sie war BWL-Studentin und freute sich schon immer auf die Unternehmerrunde.

Neben den großzügigen Trinkgeldern gab es häufig amüsante Streitgespräche, im Laufe derer die Unternehmer ihr Praxisferne vorwarfen, sie aber häufig mit neuen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen ganz frisch aus der Vorlesung für Verblüffung sorgen konnte. Dies war für die erfolgsgewohnten Unternehmer nicht ganz unwichtig, denn als Patriarchen der alten Schule gab es in ihren Unternehmen keine ausgeprägte Diskussionskultur. Viele ihrer Mitarbeiter hatten sich damit abgefunden, dass der Chef immer Recht hatte und wagten kaum noch, auf Probleme hinzuweisen. Auch deswegen war der Golfclub nützlich, denn von Kollegen konnte man ja Ratschläge (und natürlich Aufträge) annehmen.

Der Ablauf der munteren Runde startete immer gleich. Nachdem jeder unaufgefordert sein Lieblingsgetränk erhalten hatte, wurde gefragt: „Nun, Paulinchen, was hast Du denn diese Woche Besonderes an der Hochschule gelernt?“ Meist wurde noch ein Studentenwitz angehängt (schön, dass Du uns zuliebe schon um 15 Uhr aufgestanden bist).

Am heutigen Tag wurde über die neue und geänderte Entscheidung der Ampel gesprochen, den am Boden liegenden Wohnungsbau zu fördern. Mit dem Kabinettsbeschluss zur Wohnungsbauförderung vom 30.8.2023 soll eine degressive Abschreibung von 6% p.a. eingeführt werden. Da die Mitglieder der edlen Runde stark im Wohnungsbau engagiert waren, wurde das zunächst positiv aufgenommen.

„Ich habe Euch doch gesagt, dass die Regierung nicht tatenlos bleiben wird“ führte Andreas Ampel aus, der trotz der Fehlentscheidungen noch Fan der Regierung war: „Jetzt lohnt sich wieder der Neubau von Wohnungen zur Vermietung.“

Dieter Durchblick, der Wirtschaftsredakteur, wurde nach den genauen Konditionen gefragt. Er gab folgende Detaillierungen: Es geht um Neubauten mit einem Baubeginn zwischen dem 1.10.2023 und dem 30.09.2029. An der langen Laufzeit seht ihr, für wie verfahren die Regierung die Lage auf dem Wohnungsmarkt hält. 6 Jahre lang sollen je 6% abgeschrieben werden können. Das ist übrigens eine wesentliche Verschlechterung gegenüber der ersten Version, in der 48% in den ersten 8 Jahren vorgesehen waren.“

Bernhard Birkenstock, der Leiter der Biomarktkette, entrüstete sich: „Ich habe im Juli mit dem Neubau begonnen. Heißt das, dass ich leer ausgehen werde?“

Stefan Steuer bestätigte: „Ja, aber dieses Ungerechtigkeitsproblem tritt regelmäßig auf, wenn der Staat glaubt, den Bürger mit Subventionen – darunter fallen auch Steuervorteile – lenken zu müssen. Dazu kommt, dass diejenigen, welche sowieso bauen wollten, diese Subvention erfreut mitnehmen werden.“
Dieter Durchblick tröstete Bernhard Birkenstock: „Der Vorteil ist nicht sehr groß, wenn richtig gerechnet wird.“ 

Der wollte natürlich den Grund wissen und wandte sich an Pauline: „Was habt Ihr denn zur degressiven Abschreibung an der Hochschule gelernt?“ Pauline konnte antworten: „Ja, wir haben auch gelernt, dass die degressive Abschreibung kaum eine Verbesserung bringt.“

Andreas Ampel protestierte: „Aber wir können doch die ersten 6 Jahre 6% abschreiben statt 3%. Das ist doch bei einem Kaufpreis von 500 T€ ein satter Vorteil von 3% * 500 T€ * 50% = 7.500 € jährlich.“

Pauline antwortete – mit Blick auf das Trinkgeld – vorsichtig: „Herr Ampel, das stimmt nur zunächst. Denn nach 6 Jahren ist die Abschreibung ja dann geringer, so dass Sie dann mehr Steuern zahlen müssen, was einen Großteil der Vorteile auffrisst.“

„Gut Pauline!“ lobte Dieter Durchblick: „Genauso ist es. Insgesamt können eben nur 100% abgeschrieben werden. Und zudem muss vom Kaufpreis zunächst der Wert des nicht abschreibbaren Grundstücks abgezogen werden, so dass der Effekt nochmals kleiner wird.“

Andreas Ampel gab zu: „So habe ich das gar nicht gesehen. Ich habe im Focus Online einen positiven Bericht gelesen, in dem nur der Zeitraum der ersten 6 Jahre analysiert wird. Das ist dann wohl falsch.“

Stefan Steuer bestätigte: „Das ist nicht nur falsch, sondern großer Mist. Denn es besteht die Gefahr, dass viele Bauinteressierte darauf hereinfallen. Es ist allerdings fraglich, ob sie nach den ersten Jahren mit geringeren Steuerzahlungen merken werden, dass sie in den Folgejahren fast alles wieder verlieren werden.“

Carlo Controletti, der Wirtschaftsprüfer, kritisierte: „Das ist von vorne bis hinten großer Murks. Denn zusätzlich wird eine ganz neue Abschreibungsart eingeführt, nach der die Abschreibung des laufenden Jahres nicht von den historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten ausgeht, sondern vom Wert des Vorjahres. Das wird extrem teure Verwaltungsarbeit erfordern. Aber ich bin optimistisch, dass diese Systemänderung noch gekippt wird. Denn es wird ja permanent von Vereinfachung gesprochen.“

Kurt Kappe fragte: „Ich will mir demnächst ein neues Eigenheim bauen und mein jetziges vermieten. Wie wird das denn gefördert?“

Dieter Durchblick musste ihn enttäuschen: „Da hast Du Pech. Nur neue Häuser und Wohnungen zur Vermietung werden gefördert, und zwar unabhängig von den Kosten. Dass bei Dir unter dem Strich auch mehr Wohnraum zur Vermietung auf den Markt kommt, hilft Dir nichts.“ Kurt Kappe verstand die Welt nicht mehr.

Stefan Steuer zog eine Zwischenbilanz: „Wie wir schon häufig bemerkt haben, sind Subventionen fast immer ungerecht, weil irgendwo eine Grenze der Begünstigungen gezogen werden muss. Sonst wird es zu teuer und die Mitnahmeeffekte werden noch höher, so dass die tatsächliche Wirkung vernachlässigt werden kann. Die Kosten liegen dann häufig viel höher.“  

Carlo Controletti pflichtete dem bei: „Denke an das Heizungsgesetz, in dem in einer Zwischenversion 80-Jährige ausgenommen werden sollten von der Pflicht zum Heizungsaustausch. Nicht aber der kranke 79-Jährige…“

Dieter Durchblick wies noch auf das Subventionschaos bei den Wallboxen hin: „Wie wir neulich bei den Wallboxen diskutiert haben, gibt es im Markt regelmäßig Probleme, wenn der Staat zunächst eingreift, dann aber die Subventionen zurückfährt.“

Auf dem Heimweg nahmen sich auf die größten Immobilienfans vor, erst einmal eine ausführliche Vergleichsrechnung über die gesamte Laufzeit durchzuführen, um sich nicht von den anfänglichen Steuervorteilen blenden zu lassen. 



letzte Änderung P.D.P.H. am 04.09.2023
Autor(en):  Prof. Dr. Peter Hoberg
Bild:  Bildagentur PantherMedia / Marc Dietrich


Autor:in
Herr Prof. Dr. Peter Hoberg
Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Worms. Seine Lehrschwerpunkte sind Kosten- und Leistungsrechnung, Investitionsrechnung, Entscheidungstheorie, Produktions- und Kostentheorie und Controlling. Prof. Hoberg schreibt auf Controlling-Portal.de regelmäßig Fachartikel, vor allem zu Kosten- und Leistungsrechnung sowie zu Investitionsrechnung.
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